Der in Nürnberg aufgewachsene Hermann Kesten (1900-1996) gehörte in den letzten Jahren der Weimarer Republik als Vertreter der Neuen Sachlichkeit und als erfolgreicher Lektor des Kiepenheuer-Verlags in Potsdam zu den literarischen Talenten und Hoffnungen in Berlin – ebenso wie Erich Kästner (1899-1974).
Anders als der lebenslange Freund Kästner muss und will Kesten als Jude vor Hitlers Terror aus der Heimat fliehen. Der Vormarsch der deutschen Wehrmacht treibt ihn 1940 aus Holland und Frankreich in die USA. In New York engagiert er sich für die Rettung verfolgter Autoren und Künstler.
Obwohl er amerikanischer Staatsbürger (1949) wird, zieht es ihn zurück nach Europa. Er lässt sich in Rom (1953-1977) nieder. Nach dem Tod seiner Frau Toni verbringt er den Lebensabend in Basel.
Kesten will zwar nicht mehr in Deutschland leben, aber die deutsche Sprache, Literatur und Autoren bilden das Zentrum seines oft leidenschaftlichen und kritischen Engagements. Dieses anerkennend wählt ihn der P.E.N.-Club zum Präsidenten (1972-1976).
Kesten erhält im Alter renommierte literarische Auszeichnungen (Büchner-Preis 1974, Nelly-Sachs-Preis 1977), doch sind heute seine zahlreichen Romane, Novellen, Biographien, Essays und Gedichte genauso vergessen wie seine frühen Theaterstücke.
Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki rühmt Kesten als einen außergewöhnlich belesenen Büchermenschen, „dem nichts Literarisches fremd gewesen ist“ und hält die Portraitsammlungen Meine Freunde die Poeten, Lauter Literaten und Dichter im Café für besonders wertvoll.
In einem apokryphen Nachruf schreibt Kesten über sich: „Freiheit, Gerechtigkeit, Glück, Liebe, Lust am Leben, Wahrheit waren häufig Titel und Themen seiner Bücher, wie Josef sucht die Freiheit, der Gerechte, Glückliche Menschen, Ein Sohn des Glücks, Die Lust am Leben, Die Liebes-Ehe. Freilich war Kesten ein ironischer, ja satirischer Autor, ein schwärmender und erbitterter Chronist seines Jahrhunderts, worauf diese oder andere Titel seiner Bücher, wie Der Scharlatan, Die Kinder von Gernika, Die Zeit der Narren, Die Zwillinge von Nürnberg hinweisen“.