Im Exil werden Träume krank.

Hermann Kesten

„Kesten emigrierte 1940 in die USA“, so oder so ähnlich heißt es lapidar in Lexikonartikeln oder Kurzbiographien. Das liest sich nicht eben dramatisch, eher schon wie „er passierte die Grenze oder er reiste über den Ozean“. Doch Kesten musste, ähnlich wie schon aus Berlin, auch aus Paris Hals über Kopf flüchten und seine Frau, seine Mutter und seine Schwester schutzlos in Frankreich zurücklassen.

Die Überfahrt und die Anfangszeit in New York waren für ihn ein Albtraum. Erst fünf Monate später konnte er seine Familie wieder in die Arme schließen.
Kesten engagierte sich in New York sofort für die Rettung Verfolgter aus Europa, vorerst schrieb er keine Romane mehr, sondern Bittbriefe.
Gebannt blickte er auf die Ereignisse in Europa, die Neue Welt blieb ihm zunächst fremd. Die Handlungen seiner Bücher spielten noch immer in Deutschland, Frankreich und in Italien. Auch wenn er ab und zu amerikanische Texte ins Deutsche übersetzte – als englischsprachiger Autor, das wusste er, hatte er keine Chance.

1946 veröffentlichte er mit Erfolg Die Zwillinge von Nürnberg in der englischen Übersetzung. Der Auflage des Zeitromans im Nachkriegs-Deutschland (1947) mangelte es an Druckpapier und Lesern. Ebenfalls in Amerika schrieb er Biographien über Copernicus und Casanova und den Roman Die fremden Götter, der in Südfrankreich spielt.

Nach seinem ersten Deutschland-Besuch (1949) gab er oft unerwünschten „Nachhilfeunterricht“ für die Entwicklung junger Autoren der Gruppe 47, erinnerte an das Erbe der Literatur der deutschen Exilschriftsteller und geißelte die Rückkehr von Nazi-Literaten in den Literaturbetrieb.

Insgesamt lebte Kesten dreizehn Jahre in New York und wurde 1949 sogar amerikanischer Staatsbürger, aber heimisch wurde er in den USA nicht. Ihn zog es zurück nach Europa.
Ab 1953 wird er in Rom leben und nur ab und zu in die USA zurückkehren, um die amerikanische Staatsbürgerschaft nicht zu verlieren und – um seine Familie zu besuchen, die in New York geblieben war.