Das Leben in Südfrankreich ist billiger als das in Paris. Daher zieht es viele Autoren – nicht nur wegen der reizvollen Landschaft – in den Süden Frankreichs. Zentren der Emigration sind Nizza und Sanary-sur-mer.
In Nizza leben und arbeiten, wie Klaus Mann berichtet, sein Onkel Heinrich Mann, der während seines gesamten französischen Exils dort blieb, René Schickele, der im März 1934 von Sanary-sur-mer nach Fabron/Nizza gezogen war, Valeriu Marcu, Theodor Wolff sowie der Forscher Magnus Hirschfeld. In Nizza wohnen aber auch Ferdinand Bruckner, Fritz von Unruh und Annette Kolb. Klaus Mann schreibt über die literarische Szene in Nizza:
„Nach dem Essen geht man in eines der großen Cafés an der Place Masséna, wo die emigrierte Literatur fast ebenso reichlich vertreten ist wie in den ‚Deux Magots‘ am Boulevard St. Germain.“
Sanary-sur-mer ist ein kleines Fischerörtchen, das zuerst von Malern als Urlaubsziel entdeckt worden war und Anfang der 30er Jahre von einer deutschen Emigrantenkolonnie besiedelt wird. Die Manns – Thomas und Katja Mann, Heinrich Mann, Klaus Mann – machen in Sanary Station und Franz und Alma Mahler-Werfel, René Schickele, Anna Seghers und Bertold Brecht, Arnold Zweig, Lion Feuchtwanger, Ernst Toller und Joseph Roth – auf der Gedenktafel an die Exilanten, die Ende der 80er in Sanary aufgehängt wird, stehen insgesamt 36 Namen.
Trotz der Treffen und langen kontroversen politischen Diskussionen in einem der beiden Hafencafés von Sanary, trotz der Zusammenkünfte in den Häusern der Schriftstellerkollegen sind die deutschen Autoren sehr schöpferisch in ihrem südlichen Exil. Wenig lenkt vom Arbeiten ab, unter finanziellem Druck stehen viele von ihnen, seit in Deutschland ihre Bücher verbrannt werden.
René Schickele schreibt in Sanary den Roman Die Witwe Bosca, der im Dezember 1933 bei S. Fischer in Berlin erscheint. Thomas Mann arbeitet an Joseph und seine Brüder. Lion Feuchtwanger beendet Exil und schreibt Die Geschwister Oppermann, Ludwig Marcuse eine Biographie über Ignatius von Loyola. Hermann Kesten sitzt an Der Gerechte und sein Freund Fritz Landshoff schreibt ihm im September 1933:
„Ihrem Roman scheint die südliche Sonne zu bekommen.“
Klaus Mann verfasst im Mai 1933 seinen berühmt gewordenen Appell an Gottfried Benn, sich doch nicht von den Nazis vereinnahmen zu lassen, den Benn kurze Zeit später über den deutschen Rundfunk beantwortet. Die Absendeadresse des Briefes an Benn lautet: Hotel de la Tour, Sanary-sur-mer.
Klaus Mann bereitet in Sanary auch die ersten Ausgaben der Sammlung vor, der literarischen Exil-Zeitschrift, die nicht zuletzt an der politisch indifferenten Haltung und mangelnden Unterstützung seines Vaters Thomas Mann und anderer Autoren scheitern soll, die sich nicht mit allzu deutlichen politischen Stellungnahmen ihre noch sprudelnden Einnahmequellen in Nazi-Deutschland verschütten wollen.