Seine Liebe zu den Klassikern, seine Kenntnisse über die Literatur und den Humanismus – Kesten erwirbt sie nicht am humanistischen Nürnberger Königlichlichen Alten Gymnasium, sondern bekommt sie als geistiges Erbe von seinem Vater Isaac Kesten mit. Die Vorlesestunden des geliebten Vaters sind Lehrstunden für den angehenden Literaten:

„An vielen Abenden las der Vater uns Kindern vor, er lag auf dem Sofa, und meine beiden Schwestern und ich saßen um ihn herum, oder halb auf ihm, oder zu seinen Füßen, und unsere liebe Mutter saß ihm zu Häupten, sie kam mir so jung und hübsch vor, und ihre Augen funkelten vor Vergnügen, sie freute sich ganz offen an ihrem blitzgescheiten Mann und seinen menschenfreundlichen Autoren; er las aus der Bibel vor, aus Spinoza, Lessing und Heine, aus Rousseau, Voltaire und Molière, und Tolstoi, aus Beckers Weltgeschichte und Alexander von Humboldt.“

Wolfgan Buhl (Hg.): Hermann Kesten. Mit Menschen leben, S. 31

Hermann Kesten beginnt schon als Gymnasiast zu schreiben – er vollendet drei Dramen, die aber heute alle verloren sind: MosesJephtas Tochter, und Alexander der Große und Klitos.
Noch in Nürnberg schreibt Kesten 1926 zwei Theaterstücke, die Ende der 20er Jahre uraufgeführt werden.

„Ich war 26 Jahre alt, als ich mit einem Mal wieder zwei Theaterstücke schrieb, in einem Tag ‚Admet‘ (der in Oberhausen uraufgeführt wurde), in dreißig Tagen ein Lustspiel ‚Maud liebt beide‘, das in Kassel zur Uraufführung kam. Mein Freund Fritz Helmut Landshoff schrieb mir, er arbeite seit einer Woche im Verlag Kiepenheuer und finde als jüngste Erwerbung meine beiden Stücke, die er mit Beifall gelesen habe.“

Hermann Kesten: Brief an Beisler, 4.5.1927, Monacensia

Für Bourgeois bleibt Bourgeois, eine musikalische Komödie von Walter Hasenclever und Ernst Toller, die 1929 in Berlin im Lessing-Theater uraufgeführt wird, verfasst Kesten die Gesangstexte.

Ein Jahr später wird eine dramatisierte Fassung seines Erstlingsromans Josef sucht die Freiheit mit dem Titel Wohnungsnot im Berliner Theater am Schiffbauerdamm uraufgeführt. Zusammen mit Ernst Toller schreibt er Wunder in Amerika, das im Oktober 1931 am Nationaltheater in Mannheim uraufgeführt wird. Babel oder Der Weg zur Macht, das bereits 1929 erschienen war, wird erst 61 Jahre später, im Jahr 1990, von den Städtischen Bühnen Nürnberg uraufgeführt.

Sechs Theaterstücke – ohne seine drei Jugendwerke – stehen in Kestens Werkverzeichnis. Großen Erfolg hatte keines dieser Stücke, alle verschwanden schnell wieder vom Spielplan. Dafür trugen ihm seine Novellen und Romane erhebliche Beachtung in der Literatenszene ein. Seine frühen Romane werden auf Anhieb in mehrere Sprachen übersetzt.