Er flieht aus dem Deutschland des Naziterrors ins Pariser Exil – und beginnt, zwei historische Romane zu schreiben, Ferdinand und Isabella sowie König Philipp der Zweite.
Mit beiden Romanen hat er beachtlichen Erfolg, beide handeln vom blutigen Aufstieg Spaniens zur Weltmacht im 15. und 16. Jahrhundert. Detailgenau und akribisch hat Kesten die Entstehung und die Mechanismen einer Diktatur recherchiert, er schildert die Schrecken der Inquisition und die Kaltblütigkeit der Herrscher, die ihr gesamtes Handeln unter ein Primat stellen – das Primat von Machterhalt und Machtausbau.

Ferdinand und Isabella erscheint 1936, zwei Jahre später König Philipp der Zweite – beide beim Amsterdamer Allert de Lange-Verlag. Ferdinand und Isabella nimmt seine Anfänge in Nizza, in der Zeit, in der Kesten mit Heinrich Mann und Joseph Roth zusammen ein Haus bewohnt. Beide Schriftsteller-Kollegen arbeiten zur gleichen Zeit an historischen Romanen: Mann an Henri Quatre, Roth an Die hundert Tage. Alle drei haben sich – so Kesten – oft im Kaffeehaus über die Gesetzmäßigkeiten des historischen Romans ausgetauscht.

Ob Kesten mit seinen beiden historischen Romanen auf die Diktatur in Deutschland anspielen will oder nicht, darüber streiten sich die Literaturwissenschaftler. Die eine Fraktion vertritt die Meinung, durch die analytische Darstellung der konsequenten „Gleichschaltung“ der damaligen spanischen Gesellschaft liefere Kesten sehr wohl eine mikroskopische Aufnahme des Nazi-Regimes. Gunnar Falk Fritzsche ist ganz anderer Meinung:

„Der oft gegen den historischen Roman des Exils erhobene Vorwurf des Eskapismus trifft Kesten nicht, da es ihm nicht um vordergründige Parallelen zu Figuren und Methoden des NS-Regimes (wie etwa in Feuchtwangers Der falsche Nero) ging.“

Heinz Ludwig Arnold (Hg.):
Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, S. 12

Fritzsche deckt auch ein Mißverständnis der Rezeption von Kestens historischen Romanen auf, das sich bis heute hartnäckig gehalten hat:

„Obgleich beide Romane zu den erfolgreichsten Werken Kestens zählen, zeigt sich auch hier, wie wenig sorgfältig die Rezeption Kestens war und ist: seit Jahrzehnten gilt Der Mohr von Kastilien als 1952 nachgeschobener erster Band der Spanischen Trilogie – tatsächlich aber wurde der umfangreiche Roman Ferdinand und Isabella für die erste Nachkriegsausgabe in zwei Bände (Um die Krone. Der Mohr von Kastilien, 1952; Sieg der Dämonen. Ferdinand und Isabella, 1953) aufgeteilt.“

Heinz Ludwig Arnold (Hg.):
Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, S. 12-13