Aus Überzeugung wurde Kesten nicht zum Amerikaner – zu kritisch sah er Land und Leute, zu isoliert lebte er in seinem neuen Exil. Auf seinen Reisen durchs Land bewunderte er die Schönheit der Landschaft, war aber abgestoßen von der Häßlichkeit der Städte. Heimweh nach Europa plagte ihn.
Wie viele Einwanderer stand auch Kesten unter dem Verdacht von „Possible subversive activities“. So jedenfalls lautet ein Eintrag auf seiner Karteikarte aus den National Archives in Washington vom 24. Juli 1941. Bezeichnender Weise kamen die Denunziationen, die zu dem Eintrag führten, aus dem Kreis derer, die ihm ihr Leben, oder zumindest doch ein Visum in die USA verdankten. Nachdem der Verdacht auch den Betroffenen bekannt geworden war, verbrannte Toni, Kestens Ehefrau, zahllose Briefe, die ihr Mann im Lauf der Zeit von Emigranten, aber auch von Amerikanern, erhalten hatte, und die in irgend einer Form den Verdacht hätten stützen können.

Spöttisch und belustigt schildert Kesten einen Besuch eines Mitarbeiters des Immigration and Naturalization Service, der ihn anläßlich seiner Einbürgerung 1949 aufsuchte:

„Letzten Freitag kam ein Mann in mein Appartement und erzählte mir, er habe zwei meiner Romane und meine Novelle Oberst Kock gelesen, und ich habe offenbar trübe Erfahrungen mit der Polizei vieler Länder gemacht. Ich sagte ihm mehrmals umsonst, der Autor sei nicht ausnahmslos alle seine fiktiven Figuren, die er beschreibe. Ich war nie ein polnischer Oberst und heiße nicht Kock. […]
Ferner sagte er mir, eine Person namens Alexander in meinem Roman Die Zwillinge von Nürnberg scheine ein Linker zu sein, und sei mit Sympathie beschrieben […].
Und in meinem Roman Die Kinder von Gernika, sagte er, schilderte ich Nazis und Kommunisten ohne merkliche Sympathie, doch stünden Sätze darin […] Das gab ich offen zu. In diesem Roman stehn Sätze […] Kurz, wenn die Ämter anfangen, uns zu lesen […].“

Hermann Kesten: Deutsche Literatur im Exil, S. 289

Immerhin: der Mann von der Immigrationsbehörde hat letztendlich wohl doch alle Bedenken fallen lassen – im April 1949 wurden Toni und Hermann Kesten amerikanische Staatsbürger.