Man trifft sich oft zu geselligen Runden: die Autoren, Mitarbeiter und die Chefs des Kiepenheuer-Verlags, mitunter zusammen mit anderen Verlegern. Beliebter Anlass für Heiterkeit ist Kiepenheuers Glasauge. Kesten berichtet:

„Wenn Rowohlt bei Mahlzeiten angeregt war, zerbiß und kaute er Gläser und verschluckte die Scherben. Joseph Roth, ein beherzter Trinker wie die beiden Verleger, wünschte sich damals, Rowohlt möchte das Glasauge Kiepenheuers verspeisen, als wahres Symbol für die Freundschaft von Verlegern untereinander. Es kam nie dazu. […]
Zum 50. Geburtstag von Gustav Kiepenheuer gab der Verlag einen abendlichen Empfang. Kiepenheuer nahm an diesem Sonntag in der Frühe ein Bad und spielte, wie er es oft tat, mit seinem Glasauge. Da entglitt es ihm und fiel durch den Abfluß. Nun war guter Rat teuer. Er wollte nicht einäugig wie Odin seine Gäste empfangen. Er rief eine Reihe von Optikern in ihren Privatwohnungen an, doch hatte keiner Glasaugen in der Wohnung. Schließlich traf er auf einen Optiker, der ein Glasauge in der Wohnung hatte, zufälligerweise.
Kiepenheuer schickte das Dienstmädchen, das auch ein Glasauge brachte. Doch als er die Schachtel öffnete, sah er zu seinem Schreck, daß es ein grünes Glasauge war, was nicht zu seinem eigenen strahlend blauen Auge paßte. Es war zu spät, den Schaden zu reparieren. So blickte er an seinem 50. Geburtstag zweideutig auf seine Autoren.“

Thema, Stil, Gestalt, S. 513

Verleger Ernst Rowohlt sagt über Gustav Kiepenheuer, dieser müsse nur einmal mit einem Manuskript gegen seinen Kopf klopfen – schon wisse er über die literarische Qualität des Papiers Bescheid. Gustav Kiepenheuer wird eine sprichwörtliche Spürnase für gute Literatur nachgesagt. 1909 gründete der damals 29jährige Buchhändler in Potsdam seinen eigenen Verlag und verschrieb sich zuerst der Veröffentlichung von Klassikern.