Den Nazis in letzter Minute entkommen: Kesten erreicht am 27. Mai 1940 New York – und ist gerettet. Seine dramatische Flucht voller Hinternisse schildert er T. Murray Ragg vom Verlag Routledge in London in einem Brief (27.5.1940):

„Ich wußte bis zum jeweils letzten Augenblick nicht, ob ich noch von Paris, das in voller Auflösung begriffen war, kurz vor der Okkupation würde entkommen können. Ich wußte nicht, ob ich bis zu meinem Hafen St. Nazaire gelangen würde, ob ich aufs Schiff gelassen würde, ja nicht mal, ob die Champlain dann wirklich bis New York käme. Und in der Tat gab es nur wenige Zwischenfälle, die sich nicht ereigneten, mit Ausnahme der Versenkung der Champlain durch deutsche U-Boote, die uns angeblich oder wirklich verfolgt haben. In St. Nazaire wurde ich in einem Café als Deutscher verhaftet, meine Devisengenehmigung, ohne die ich nicht ausreisen durfte, war abgelaufen, niemand wollte sie verlängern. Der Hafen wurde von deutschen Flugzeugen bombardiert, und sofort.“

Hermann Kesten (Hg.): Deutsche Literatur im Exil, S. 104

Er ist gerettet, doch in panischer Angst um seine Familie, in Sorge um seine Frau, die in Paris zurückbleiben musste, weil er sonst kein Besucher-Visum für die USA erhalten hätte.

„Meine Frau mußte ich in Paris zurücklassen, da der amerikanische Konsul ein Besuchervisum nur erteilen durfte, wenn meine Frau sozusagen als Geisel in Paris zurückblieb. So befahl das amerikanische Gesetz, nicht der Konsul, der sich übrigens als Leser und Bewunderer meiner Romane vorstellte und wie ein Freund mir riet und half.“

Hermann Kesten (Hg.): Deutsche Literatur im Exil, S. 103

Als Geretteter erreicht er New York und ist verzweifelt. Ob sich seine Familie – seine Frau aus Paris, die Mutter und die hochschwangere Schwester aus Brüssel – vor den Nazis haben retten können – er weiß es nicht…