Anfang 1928 bietet der Kiepenheuer-Verlag, der damals in einer ansehnlichen Villa in Potsdam-Wildpark gegenüber dem Schloss Charlottenburg residiert, Kesten eine Stelle als Lektor an. Kesten, dem Selbstverständnis nach Dramatiker und Romancier, freundet sich nur zögerlich mit der zusätzlichen Rolle und dem damit verbundenen Umzug nach Berlin an. Anfang Mai hat er sich wahrscheinlich zur Untermiete in der Uhlandstraße 194a, in der Nähe des Bahnhof Zoo, einquartiert. Er scheint aber noch in Nürnberg zu schreiben und zu leben, denn Mitte Juli schickt ihm der Kiepenheuer-Geschäftsführer Landshoff einen Brief nach Nürnberg in die Breite Gasse 66 und fordert Kesten auf, den Arbeitsvertrag für die Lektorenstelle zu unterschreiben und zum 1. August nach Berlin zu übersiedeln, um am 1. September die Arbeit als Lektor aufzunehmen.
Im März 1929 schreibt Kesten seinem alten Schulfreund Karl Beisler einen Brief mit einer neuen Adresse, die in der Nähe der Gedächtniskirche liegt: Augsburgerstraße 21, bei Hilscher. Dort wohnt er mit seiner Frau Toni vermutlich auch zur Untermiete. Er spottet in dem Brief an Beisler:

„Berlin […], Berlin […] ist eine Stadt, in der ich schon längere Zeit (bald ein Jahr) lebe und die mich langweilt. Ich will nicht übertreiben und sie mit Fürth vergleichen, aber […]“.

Ihn fasziniert eine andere Stadt. Er schreibt weiter:

„Ich blicke mit verlangenden Augen nach Paris und so mir mein eigener Entschluß und das deutsche Verlagsgewerbe bald dazu helfen, will ich nach Paris ziehen.“

Hermann Kesten: Brief an Karl Beisler, 30.3.1929, Monacensia

Berlin scheint Kesten wirklich nicht sonderlich zu fesseln, denn er plant für Pfingsten eine Tour nach Prag und für den Sommer eine große Reise nach Konstantinopel und Kleinasien.

Im Laufe des Jahres 1929 zieht Kesten aus dem Stadtteil Charlottenburg in das Arbeiterviertel Kreuzberg, in die Urbanstraße 62. Dem Freund Erich Kästner hat er die Gründe für die Wahl der neuen Wohnung erläutert. Kästner berichtet:

„[…] ich besuche Sie, während eines Umzugs, in der neuen Wohnung, wo die Toni und Ihre Mama und Ihre Schwester mit den Möbelräumern Schränke, Betten und Tische rücken und schieben. Ich frage Sie, der als Feldherr zuschaut, nach dem strategischen Sinne der Schlacht. ‚War die frühere Wohnung denn nicht bequemer? Warum muß es denn, so fern vom neuen Westen, die Urbanstraße sein?‘ – ‚Wegen meines nächsten Romans‘, antworten Sie. ‚Ich brauche die Hasenheide, Neukölln und ganz besonders das Kaufhaus am Hermannsplatz!‘ – ‚Dafür genügte doch ein möbliertes Zimmer!‘ – ‚Nein, ich brauche ja auch meine Familie!'“

Hermann Kesten. Ein Buch der Freunde, S. 95

Kestens dritter Roman Glückliche Menschen erzählt eine Woche im November 1929 in Berlin. Er schreibt den Roman 1930 in den kleinen Berliner Cafés am Hermannplatz, der Hasenheide und dem Cafépalast in der Friedrichstraße, die wiederum im Roman auftauchen. Kesten beobachtet und schreibt gerne in Cafés, Cafés werden zu seinem Arbeitsplatz.

Im Jahr 1932 zieht Kesten wieder zurück nach Charlottenburg, in ein Mietshaus in die Niebuhrstraße 58/IV. Stock. Von hier aus hat er es nicht weit zum Kiepenheuer Verlag. Der Verlag war Ende 1928 aus Berlin-Potsdam zunächst in die Altonaer Straße 4, nahe dem Hansaplatz, umgezogen und ab 1932 im Hinterhaus des Theater des Westens in der Kantstraße/Fasanenstraße untergebracht.
Am 21. März 1933 verlassen Toni und Hermann Kesten ihre Wohnung in der Niebuhrstraße und flüchten mit wenigen Habseligkeiten nach Paris. Einige Tage zuvor hatte eine Hausbewohnerin sie vor einer Verhaftung gewarnt.