Hermann Kesten und Erich Kästner sind sich in vielem ähnlich: Beide sind Moralisten, Pazifisten, Spötter. Sie treffen sich 1928 zum ersten Mal – beide sind junge aufstrebende Autoren und voller Pläne.

„Ich schüttelte die Hand eines hübschen adretten jungen Mannes, der mich mit einem freundlich verschmitzten Lächeln begrüßte. Sogleich begannen wir ein langes Gespräch und unsere Freundschaft. Wir sprachen überraschenderweise auch von uns selber und waren uns bald einig, daß wir Moralisten und Satiriker waren. Ich behauptete, man müßte auf die Besten seines Jahrhunderts wirken. Kästner sagte, er wolle dem Volke gefallen, und je mehr Leser, desto besser.“

Kesten: Meine Freunde, die Poeten, S. 210

Sie spielen zusammen Tennis, veröffentlichen in den gleichen Zeitungen und Zeitschriften ihre Texte, werden – nicht nur wegen des Gleichklangs der Namen – oft miteinander verwechselt. Erich Kästner erinnert im Buch der Freunde daran:

„[…] und wir stehen beide, Hand in Hand wie Hänsel und Gretel, in einem Redaktionszimmer des Berliner Tageblatts vor Fritz Engel, den wir, in parodierter Weh- und Demut, inständig darum bitten, seinem Rezensenten X. und dem Doktor Engel selber mitzuteilen, daß wir, obzwar jung und trotz ähnlich klingender Familiennamen, schon jetzt eigenwillig genug seien, Ihre Novellen unter dem Namen Kesten und meine Gedichte unterm Namen Kästner herauszubringen. Verwechslungen und daran anknüpfende Vergleiche und Werturteile müßten in der künftigen Literaturgeschichtsschreibung merkliche Verwirrung stiften, und das könne doch eine Zeitung von Format unmöglich wollen…“

Hermann Kesten. Ein Buch der Freunde, S. 94

Im Jahre 1930 beginnen sie gemeinsam ein Theaterstück zu schreiben, das allerdings nie beendet wurde. Bei aller Freundschaft sind beide aber auch Konkurrenten. Als Kästner erfährt, daß Kollege Kesten auch an einem Roman arbeitet, der das Thema „arbeitsloser Akademiker“ zum Thema hat, setzt er alles daran, seinen Roman vor Kesten herauszubringen.

„Eine Woche gab er sich für die restlichen Kapitel (seines Romans Fabian, A. d. Verf. ), bedrängt von der Schreckensnachricht, daß Hermann Kesten und Ernst Glaeser ‚genau denselben Roman‘ schrieben, ‚vom arbeitslosen Akademiker in Berlin‘ […] Es war ihm wichtig, daß sein Buch vor Kestens Roman Glückliche Menschen erschien; Glaesers Gut im Elsaß (1931) war dann doch ein ganz anderes Fach.“

Sven Hanuschek: Keiner blickt dir hinter das Gesicht, S. 196

Hermann Kesten nimmt den Freund mit seiner Erzählung Duell bei Dresden in die wichtige Anthologie 24 neue deutsche Erzähler auf – und Kästner zeigt sich erkenntlich mit freundlichen Rezensionen von Kestens Romanen.
Im Jahre 1933 geht Kesten ins Exil. Kästner bleibt, obwohl auch seine Bücher verboten und verbrannt werden. Nach wenigen Briefen, die Kästner 1933 noch nach Paris schreibt, herrscht 13 Jahre lang Funkstille zwischen den beiden.