Für die Mehrzahl der NS-Flüchtlinge waren die USA – oft wider Willen – die Endstation ihrer Flucht. Eine genaue Zahl lässt sich schwer angeben, aber man kann von etwa 500.000 Emigranten aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei ausgehen; die meisten unter ihnen waren Juden.
In New York angekommen, mussten die Flüchtlinge oft schon zum zweiten oder dritten Mal von vorne anfangen. Für die Jüngeren bot Amerika oft erstaunliche Chancen, für die Älteren war die Anpassung an die völlig andere Lebensweise eher schwierig. Die Anfangszeit war in jedem Fall hart, die meisten mussten sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. Unterstützung fanden sie bei den zahlreichen Hilfsorganisationen verschiedenster Couleur. Vielen Emigranten gelang es jedoch, sich innerhalb weniger Jahre beruflich zu etablieren und in bescheidenem Wohlstand zu bringen. Zwei Drittel der Flüchtlinge blieben in New York.

Jüdisches Viertel in New York

Washington Heights

In New York bildete sich in Washington Heights ein eigenes deutsch-jüdisches Wohnviertel, mit eigenen Geschäften, Clubs und Cafés. mehr…

In New York bildete sich in Washington Heights ein eigenes deutsch-jüdisches Wohnviertel, mit eigenen Geschäften, Clubs und Cafés.

Washington Heights wurde zur größten deutsch-jüdischen Gemeinde in den USA. Seit 1939 existierte eine eigene deutschsprachige Zeitung, „Der Aufbau“, die als Sprachrohr und öffentliches Forum für die Emigranten diente.

Das hatte Gründe: New York war die europäischste Stadt der USA, mit zahlreichen Museen und kulturellen Einrichtungen. Gerade für die Berliner Juden bot New York eine Art von Urbanität, die sie an Berlin erinnern mochte.

„Europa ist schon längst nach New York gekommen und in New York heimisch. Ich sehe Braque und Picasso in den Museen von New York, höre Thomas Mann und E. M. Forster in New York, gehe mit Dir, lieber Joseph [Wittlin, A. d. V.], in der Fifth Avenue spazieren. Als ich im Hotel Park Plaza gegenüber dem Museum for Natural History wohnte, hörte ich in meinem Zimmer Béla Bartòk im Nebenzimmer Klavier spielen, wie ich mich in New York mit Somerset Maugham, mit Maeterlinck, mit Jules Romain, mit H. G. Wells oder Jaques und der Undset und der Karin Michaelis unterhalten hatte. […] Im Exil sah ich die Dietrich wieder, z. B. in New York in der Wohnung des österreichischen Romanciers Friedrich Torberg und seiner eleganten und schlagfertigen Frau Marietta. Da saß Marlene Dietrich neben Erich Maria Remarque und war viel witziger, einfallsreicher und politisch aggressiver als dieser weltberühmte Autor, der im Westen nichts Neues gesehn hatte, ja die Dietrich war fast so witzig und schlagend wie Friedrich Torberg. Damals sah die Dietrich aus, als hätte sie selber sich erfunden.“

„Ich hatte Glück mit den Menschen“.
Hg. Wolfgang Buhl/Ulf von Dewitz, S. 18

Wer nicht in New York bleiben wollte, hatte eigentlich nur eine sinnvolle Alternative: Los Angeles an der Westküste. Hier ließen sich besonders viele Künstler nieder, Schauspieler, Regisseure, Autoren etc. Der Grund war offensichtlich: Hollywood und die boomende Filmindustrie. Hier gab es Jobs und Karrierechancen. In den Salons und Zirkeln trafen sich viele illustre Persönlichkeiten: Thomas Mann, Bert Brecht, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Billy Wilder, Ernst Lubitsch. Während einige Autoren sich nur mittels so genannter 100-Dollar-Verträge über Wasser halten konnten, machten andere glänzende Karrieren.

Trotz vieler Erfolge wurde den Emigranten die Integration schwer gemacht. Während der Kriegsjahre sah man sie als Kriegstreiber oder einfach als Hitlers Landsleute an. Sie waren und blieben „Enemy aliens“. Nach Kriegsende wurde die Einbürgerung noch schwieriger. Antifaschist wurde jetzt zum Synonym für Kommunist. In der heraufziehenden McCarthy-Ära galten Intellektuelle und Kosmopoliten wieder einmal als Vaterlandverräter. In Deutschland hatte man sie als undeutsch betrachtet, jetzt warf man ihnen vor, unamerikanisch zu sein. Angesichts dieser neuerlichen Ausgrenzung kehrten viele nach dem Krieg enttäuscht nach Europa zurück.