Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder wechselnd durch die Kriege der Klassen, verzweifelt, weil da nur Unrecht war und keine Empörung.

Bertolt Brecht

Keiner der Emigranten ist auf sein Schicksal vorbereitet, zu plötzlich erfolgt der Machtumschwung in Deutschland. Hals über Kopf ist man geflohen. Die Erfahrung des Exils versetzt sie in einen Schockzustand. Die vertraute Welt ist von einem auf den andern Tag eingestürzt. Man hat viel verloren und wenig gewonnen. Kesten schreibt rückblickend:

„Wir verloren unser Volk und unsere Leser, unsere Verlage, Zeitungen, Theater, Wohnungen, Bankkonten, Pässe, Papiere, unsere Manuskripte oder Freunde, unsere Identität und viele von uns ihr Leben. Wir lernten neue Sprachen, neue Sitten. Wir waren alle zusammen Propheten des Unheils: denn wir kannten ja Hitler und die Zukunft, wir sahen Hitlers Krieg voraus, durchschauten seine Technik und seine Weltpläne und kannten sein Ende noch nicht.
Niemand hörte auf uns, niemand glaubte uns. Man gab uns Spott und Polizeistrafen, Visen und keine Visen und baute Konzentrationslager für uns, wies hier deutsche Schriftsteller aus, ließ sie dort erst gar nicht herein, verbot ihnen die Publikation und denunzierte sie.“

Hermann Kesten: Meine Freunde, die Poeten, S. 150

Die Schriftsteller leiden unter dem Exil, obwohl sie im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen privilegiert sind: Sie dürfen nämlich ohne Erlaubnis ihre Manuskripte Verlagen anbieten und auch journalistische Arbeit fällt nicht unter das Arbeitsverbot. Nur zu oft überlassen die Autoren die Aufgabe der Versorgung ihren Frauen. Ernest Bornemann sagte auf einer Tagung des P.E.N . 1980 im Rückblick:

„Die meisten unserer großen Autoren wären im Exil verreckt, wenn die Frauen sie nicht irgendwie durchgefüttert hätten.“

Bernt Engelmann (Hg.): Literatur des Exils, S. 54

Aber vor allem bedeutet Exil eine psychologische Krise, die die eigene Identität in Frage stellt. Die meisten Autoren besitzen ein ausgeprochenes Elitebewußtsein, oft haben sie in Deutschland öffentliche Funktionen bekleidet. Plötzlich sind sie anonyme Bohemiens, die ihre Hotelzimmer nicht bezahlen können. Exil ist die Erfahrung von Isolation und Verarmung, die Welt verengt sich auf Hotelzimmer, Gartenhäuschen, Cafés, Baracken. Und immer die quälende Frage: Wohin geht die Reise? Wie geht es weiter? Und geht es überhaupt weiter?

In einer politisierten Welt müssen sich die Autoren die Frage nach dem Sinn ihres Schreibens neu stellen. Als Wortführer der literarischen Emigration tut sich immer wieder Heinrich Mann hervor. 1933 schreibt er in einem Essay über die Aufgaben der Emigration:

„Die Emigration steht für Deutschland und für sich selbst, sie enthält menschliche Werte von höherem Lebensrecht als alles, was in dem niedergeworfenen Land sich breitmachen darf. Sie umfaßt Denker und Charaktere. Die andern dort hinten haben Gleichgeschaltete und Schwätzer. Sooft die Emigration öffentlich auftritt, sollte betont werden ihre Überlegenheit, viel mehr als das ihr angetane Unrecht; zu empfehlen ist Stolz. Er könnte sogar zum gemeinsamen Handeln führen – anstatt daß jeder Abschnitt der Emigration nur an sich selbst denkt, bei seiner Versorgung mit Brot genau wie bei seiner Behauptung nach Außen.“

Heinrich Mann: Verteidigung der Kultur

Schreiben ist für die Exilautoren nicht nur wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch moralisch-politische Pflicht. Aber wo finden sie nun die Themen? Deutschland ist weit weg, ein unbekanntes Land jenseits der Grenze. Also nehmen viele den Weg in die Deutsche Geschichte. Die deutsche Katastrophe stellt für viele Autoren die Frage nach dem Sinn von Geschichte überhaupt. Und für wen schreiben sie ihre Werke eigentlich? Wer liest sie? Die Exilliteratur bleibt ohne Wirkung, die Worte werden in den Wind geschrieben.