Dada, Marlene Dietrich, Josephine Baker, Jazz, Comedian Harmonists, Nachtclubs, Kabaretts…
Berlin tanzt. Es ist der legendäre Tanz auf dem Vulkan, ein Tanz, den die einen in rauschhafter Ekstase genießen und der die anderen eher schwindlig macht…

Wer kein Geld hat, bettelt oder prostituiert sich. Das heutige Klischeebild von der brodelnden Kulturmetropole Berlin, der Hitler den Garaus gemacht hat, trügt. Berlin war auch, so schreibt der Journalist Egon Larsen, eine „kranke“ und „degenerierte“ Stadt.

„Wir nahmen wenig Notiz von dem Gegensatz zwischen dem Glanz des Kurfürstendamms und der bedrückenden Armut der Arbeitslosen in den proletarischen Vierteln – außer vielleicht als Thema einer Zeitungsreportage. Wir sahen, ohne es sehen zu wollen, die vielen Prostituierten, die das Trottoir des Kurfürstendamms mit den bettelnden blinden und verstümmelten Kriegsopfern teilten. Wir lachten nur über die fetten Schieber und ihre ordinär aufgeputzten Damen, die sich an den Tischen der Straßencafés mit enormen Torten vollstopften, und schauten weg von den hungrigen Gesichtern der zerlumpten Kinder, die an ihnen vorbeizogen und manchmal in den Abfallkübeln nach eßbaren Überresten suchten.“

Egon Larsen: Die Weimarer Republik, S. 107

Kesten, der erst Ende der 20er Jahre nach Berlin kommt, lässt sich von der glänzenden Fassade nicht täuschen und notiert rückblickend über diese Zeit:

„Für viele deutsche Autoren, Künstler, Wissenschaftler und andere Intellektuelle, die heute zu den Ruhmestiteln der zwanziger Jahre zählen, war dieses Jahrzehnt, während sie es erlebten, ein Albtraum mit der Aussicht auf jene blutige Katastrophe, die in der Tat darauf gefolgt ist. Sie standen in Opposition zur Mehrheit des deutschen Volkes. Sie verurteilen jenes Jahrzehnt, das heute wie ein Tummelplatz deutscher Talente, Idealisten und Genies aussieht, wie eine Schatzkammer deutscher Literatur, Malerei, Musik, Architektur, Medizin, Physik, Chemie, Psychologie, Philosophie, des deutschen Humanismus, der deutschen Humanität.“

Hermann Kesten: Die Filialen des Parnaß, S. 89