Kesten ist in den Jahren seines Exils ständig unterwegs, pendelt zwischen Paris, Amsterdam, Ostende, Nizza und Sanary-sur-mer. Er bleibt nie länger als ein paar Monate an einem Ort. Auf seinen Reisen, wenn er seine Freunde, die Poeten trifft, ist Kesten, immer auch Handlungsreisender in Sachen Literatur. Er führt Gespräche, erkundigt sich nach anstehenden Roman- oder Novellenprojekten und ist so als Lektor auf dem Laufenden.
Den Sommer 1933 verbringt er in Ostende – schwimmt in der Nordsee, liest deutsche Zeitungen und schreibt dort für Klaus Manns Zeitschrift Die Sammlung die Novelle Die Tote von Ostende. In dem belgischen Seebad arbeitet er auch, wie seine Korrespondenz aus jenen Tagen beweist, an der Anthologie verbrannter Buchautoren, die später mit dem Titel Novellen deutscher Dichter der Gegenwart erscheint. Von Ostende aus schickt er Stefan Zweig das von ihm verfasste Vorwort zu der Anthologie. Zweig wird entsetzt reagieren angesichts der eindeutig antinazistischen Haltung Kestens, von der das Vorwort geprägt ist. Dies hindert Kesten nicht, sich gelegentlich mit Stefan Zweig in Nizza und London zu treffen. In England besucht er auch seinen langjährigen Freund Ernst Toller.

Im Sommer 1935 verabredet er sich mit der Schriftstellerin Irmgard Keun, die mit Hilfe des de-Lange-Verlags aus Deutschland geflüchtet ist, in Brüssel – begierig auf die Geschichten aus Deutschland, die die 25-jährige im Gepäck und zu erzählen hat.

Sein stetiges Unterwegssein lässt sich am bestens aus den wechselnden Adressen seiner Briefe herauslesen, die er im Band Deutsche Literatur im Exil veröffentlicht hat – Pariser Adressen, Hotels in Amsterdam, in Nizza und in Ostende.

Angesichts des Einmarschs der Deutschen in die Tschechoslowakei schreibt Kesten im März 1939 aus Nizza, an Joseph Wittlin entmutigt und aufgerieben:

„Manchmal meine ich, man sollte nicht mehr schreiben, sondern schreien oder sich völlig in die verzauberte Stille abgelegener Zeiten flüchten. Es ist ein Spott und ein Jammer, dass unser Leben von den dümmsten und brutalsten Bestien unserer Epoche ausgefüllt und geformt wird. Wir führen das Leben von Bettlern und haben die Sorgen von Ministern und Feldmarschällen. Was für ein dummer Scherz!“

Hermann Kesten (Hg.): Deutsche Literatur im Exil, S. 72-73