Am 7. September 1939 schreibt Kesten an seinen Freund, den Literaten René Schickele:

„[…] ich bin […] nach Paris gereist, um hier zu erfahren, daß ich in ein Konzentrationslager gehen muß, gleich allen Refugies, ins Rassemblement etranger au stade olympique Yves-du Manoir a Colombes. Es ist eine ungedeckte Radfahr-Arena, […] Platz, um 500 Menschen unterzubringen, nicht aber 15.000 oder 20.000 zusammenzupferchen. Ich habe Angst davor.“

Hermann Kesten (Hg.): Deutsche Literatur im Exil, S. 84

Im September 1939 werden die Deutschen Emigranten interniert. Das ist Frankreichs Reaktion auf Hitlers Angriffskrieg. Eine Radfahrarena in einem Pariser Vorort dient als KZ für Deutsche und Österreicher. Verbittert notiert Kesten: „Frankreich beginnt also seinen Krieg gegen Hitler mit den Krieg gegen die Feinde Hitlers […]“
Die Zustände in dem Lager sind entwürdigend:

„Für die zwanzigtausend tapferen Feinde Hitlers hatte man die für das gewöhnliche Publikum der Arena vorgesehenen Aborte eigens abgesperrt, und statt dessen zwölf große leere Weinfässer auf der selben Seite der Arena aufgestellt. In sechs Fässern kochte man schwarzen Kaffee für die zwanzigtausend. Sechs andere Fässer wurden der Notdurft der zwanzigtausend überlassen…
Nachts lagen im finsteren Herbstregen auf den nassen Steinen und auf schmutzigem Stroh zwanzigtausend dicht wie Sägespäne neben einander. Unten promenierten auf dem Rasen die Gardes mobiles mit geladenen Gewehren und elektrischen Taschenlampen.“

Hermann Kesten: Der Geist der Unruhe, S. 65

Nach zehn Tagen wird Kesten nach Nevers, in ein anderes Lager in der Provinz gebracht. Keiner der Gefangenen weiß, wie es weitergeht. Er klagt seiner Frau Toni in einem Brief (20.09.1939):

„Ich bin unglücklich, weil ich – statt zu schreiben oder zu arbeiten – auf dieser verlassenen Farm hundert Schritte hin und hundert Schritte zurück gehe […]. Aber ein Mann, der nicht frei ist, taugt nichts. Jeder Tag ohne Freiheit ist verloren. Und mitten im Krieg gegen Hitler bin ich nicht frei. Ich kann nicht schreiben, nicht handeln. Was für eine absurde und tragische Situation. Und ich, den man in Deutschland wegen seiner Francophilie angegriffen hat!“

Hermann Kesten (Hg.): Deutsche Literatur im Exil, S. 86-87

Verzweifelt schreibt Kesten an einflussreiche französische und amerikanische Freunde, mit der Bitte ihm zu helfen. Endlich bekommt er ein Ausreisevisum für die USA. Seine Frau muss als Geisel in Paris bleiben.