Der holländische Verleger Gerard de Lange bietet Kesten das Lektorat für die deutschsprachige Abteilung seines Verlags an. Kesten will weiter Romane schreiben. Unter der Bedingung, dass er nicht von Paris nach Amsterdam übersiedeln muss, nimmt er die Stelle an. Die Arbeit mit den Autoren in Deutschland und im Exil gestaltet sich anfangs schwierig.
Schon das erste Projekt ist ein Erbstück mit Macken: Hilda van Praag, Kestens Vorgängerin, hatte eine Anthologie mit Texten jüdischer Exilautoren initiiert und zu großen Teilen vorbereitet. Der Band sollte eine Antwort auf die Verfolgung der jüdischen Autoren durch die Nazis sein. Kesten hat quasi keinen Einfluss auf die Auswahl der Autoren mehr, und er hat Bedenken, ausschließlich Texte von jüdischen Autoren zu veröffentlichen. Aus diesem Grund lehnen auch einige der von ihm angeschriebenen Autoren die Mitarbeit ab.

Die Texte der Autoren sind größtenteils völlig unpolitisch – lediglich zwei von 18 Erzählungen beschäftigen sich mit den jüngsten politischen Verhältnissen. Kesten will mit einem scharfen Vorwort, das sich gegen die Barabarei des Nazi-Regimes richtet, und durch die Wahl des Titels „Der Scheiterhaufen“ einen anderen Akzent setzen. Er schickt Stefan Zweig eine Kopie des Vorworts – der reagiert wütend und entsetzt, und mit ihm vier weitere Kollegen. Zu politisch ist ihnen das Vorwort. Kesten zieht das Vorwort zurück, das Buch erscheint unter dem neutralen Titel Novellen deutscher Dichter der Gegenwart. Konsequenz der Affäre: Eher linke Autoren wie Lion Feuchtwanger, Ernst Toller, Arnold Zweig gehen zur Konkurrenz – zum Querido-Verlag.

Kesten hat als Kiepenheuer-Lektor eine gute Nase für neue Talente bewiesen, was aber in Amsterdam überhaupt nicht gefragt ist. Es zählen nur Autoren, die bereits einen großen Namen besitzen, Zugpferde also. Zugpferde für kleine Auflagen, für einen ohnehin winzigen Markt. Kesten dazu:

„Da die Exilverlage damit rechnen mußten, dass ihre Autoren in dem Dritten Reich verboten waren, da man durchschnittlich annahm, dass deutsche Bücher etwa mit 10 Prozent ins Ausland exportiert wurden, konnte man nur Autoren nehmen, zu Beginn, die schon namhaft waren und eine Aussicht hatten, wenigstens eine kleine Auflage von 3000-6000 Exemplaren zu erreichen.“

Andreas Winkler: Hermann Kesten im Exil, S. 135

Kesten muss verstärkt Unterhaltungsliteratur zum Beispiel von Gina Kaus und Vicki Baum verlegen – weil sie guten Absatz versprechen. Die Okkupation Österreichs, also der Wegfall eines wichtigen Verkaufsgebietes zwingt wenig später dazu, auf Übersetzungen angelsächsischer Bestseller zurückzugreifen – wie Winston Churchills Step by Step.
Die Deutschen besetzen Holland. Am 14. Mai 1940 muss die deutsche Abteilung des Allert de Lange Verlages ihre Tätigkeit einstellen. Am 17. Mai 1940 flieht Kesten per Schiff nach Amerika.