Die Familie Kesten stammt aus Podwoloczyska, einem kleinen Ort in Galizien. Hauptgeschäft der Bewohner war der Exporthandel mit Wolle, Getreide, aber vor allem mit Eiern, weshalb auch Vater Isaak Kesten den Eierhandel erlernt. 1904 zieht er mit Frau Ida und den drei Kindern Caroline, Hermann und Regina nach Nürnberg. Auch dort handelt der mit Eiern, ein Saisongeschäft, spekulativ und […] abhängig vom Sexualtrieb der Hühner. (Hermann Kesten: Der Freund im Schrank, S. 34)

Über den Lebensstandard der Familie ist wenig bekannt. Wohl aber über die Atmosphäre in der Familie, die Kesten später in vielen Werken dargestellt hat. Kesten hatte eine innige Beziehung zum Vater, den er in der Figur des Apothekers Espinoza beschreibt:“Er war ein guter Mann, einen Kopf größer als ich…, schlank, mit einem Spitzbärtchen, … nervösen Händen, … ewig beweglichen, wie rechnenden Fingern, mit einer klugen Stirn und gütigen Lippen. Er war ein guter Vater.“(Hermann Kesten: Kinder von Gernika, S.125)

Kesten wird in einem bildungsbürgerlichen Idyll groß, wo sich deutsche Tradition problemlos mit jüdischer Denkart verbindet. Diese ideale Symbiose repräsentiert Heinrich Heine für ihn, der schon früh zu seinem Idol wird:
„Ehe ich lesen konnte, sang meine Mutter die Lieder von Heine. Und mein Vater las uns Kindern die Prosa von Heine vor. Als ich Verse zu schreiben anfing, mit fünfzehn Jahren, war ich voll von Heine.“

Hermann Kesten: Lauter Literaten, S. 279

Vom Vater erbt er die Liebe zu den Büchern und zum Humanismus:
„Mein Vater liebte Bücher, weil er Menschen liebte. Mit einem Buch, sagte er, spreche ich. Lesen heißt Zwiegespräche führen. Mit drei Büchern in der Stube habe ich drei Freunde, und mit hundert Büchern im Haus beherberge ich hundert Menschen in meiner Wohnung, oder fünftausend, wenn ich alle Figuren in den Romanen und Historien mitzähle.“(Wolfgang Buhl (Hg.): Hermann Kesten. Mit Menschen leben, S. 31)