„Schwannecke“, „Bar im Edenhotel“, „Mampes Likörstube“, „Romanisches Café“ – es gibt Dutzende literarischer Treffpunkte in Berlin. Renommierte Autoren, Newcomer, Möchtegern-Poeten wie Künstler – jeder mit Anhängerschaft – setzen sich dort lautstark in Szene. Kesten verkehrt dort nur gelegentlich. Er schreibt seine Berliner Romane in kleinen Cafés im eigenen Stadtteil. Für die Selbstinszenierungen seiner Zunft hat er nichts übrig.

„Im ‚Romanischen Cafe‘ saßen viele Dichter herum, die als Dichter verkleidet waren, sie trugen wildwuchernde Poesiebärte und lange Musenmähnen, inspirierte Krawatten oder hochrot lackierte Ideen zur Schau. Sie stellten malende und dichtende Gefährtinnen zur Schau, die sich selber in eine Art Gesamtkunstwerk nach der Manier von Richard Wagner transformiert hatten. Der Busen klimperte musikalisch, der Kopf sah wie ein Libretto aus, das ganze war eng wie Schlangenhaut oder wallte festlich wie Stefan Georges Hymnen und Münchner Reformkleider […] Dazwischen saß das staunende Publikum, an den minderen Tischen und an die Wand gedrückt, und glaubte scharf zu erkennen, diese Dichter seien nur Randexistenzen und Kunstzigeuner, Genies ohne Bankkonto und Kredit, Produkte aus dem abenteuerlichen Kuriositätenkabinett der freischaffenden Natur.“

Kesten: Filialen des Parnaß, S. 334