„Haben Sie nicht Lust, einen Roman zu schreiben?“ fragte er. Mich empörte die Zumutung.

Ich bin von Haus aus ein Dramatiker, erklärte ich. Sie schreiben auch Novellen, sagte Landshoff. Ich erwiderte: eine Novelle hat dramatische, ja theatralische Akzente. Nie werde ich einen Roman schreiben, versicherte ich, fuhr nach Nürnberg heim und schrieb dort in acht bis zehn Tagen meinen ersten Roman ‚Josef sucht die Freiheit‘, ich schrieb ihn in einer Gartenwirtschaft am Dutzendteich, wo Liebespaare und Philister saßen, übrigens auch viele Nürnberger Juden und stets mit einer Hundepeitsche und Reitstiefel der infame Antisemitenführer Julius Streicher, der Herausgeber des ‚Stürmer‘.
Es war im Mai 1927, Linden oder Kastanien blühten, Hunde bellten, Vögel sangen, manche Liebespaare ruderten auf dem Dutzendteich und küßten sich, manche aßen Bratwürste mit Sauerkraut im Gartenrestaurant und küssten sich, ich saß und lauschte den Gesprächen am Nebentisch und blickte den Wolken nach und schrieb.
Der Roman sollte der erste Band einer Trilogie werden, mit dem Gesamttitel ‚Das Ende eines großen Mannes‘. ‚Josef sucht die Freiheit‘ schildert das Leben und die Erfahrungen eines dreizehnjährigen Jungen Josef Bar in einer deutschen Provinzstadt, der den vergeblichen Versuch macht, sich aus allen Konventionen, insbesondere der Familie, zu lösen. Es ist die erste Krise des Individuums.
Die drei Romane sollten das tragikomische Ende des Individuums in der modernen Industriegesellschaft und orthodoxen Massengesellschaft zeigen. […]
Da ich einen dreizehnjährigen Jungen schilderte, beschrieb ich eine dreizehnjährige Welt, freilich mit der Stimme und mit der Erfahrung eines 27-jährigen. […] Gelegentlich haben mir Kritiker, wie auch bei meinem späteren Roman ‚Die Kinder von Gernika‘, Thomas Mann in seinem Vorwort zu jenem Roman, gesagt, ich ließe meine Halbwüchsigen so gescheit wie mich selber sprechen, so gescheit seien Halbwüchsige nicht. Natürlich hatte ich recht, und meine Figuren waren echt.
Schon die Verstandeskräfte von Zweijährigen oder Dreijährigen, welche eine Sprache lernen und die Eindrücke ihrer ganzen Welt bewältigen, sind viel größer, als man gemeinhin annimmt, und Dreizehnjährige oder Fünfzehnjährige von Talent und Vernunft und Schicksalserfahrung sind partiell so gescheit wie viele Dreißig- oder Sechzigjährige, nur mischen sie große Vernunft mit falschen Schlüssen aus fehlenden Erfahrungen, aber tun das nicht auch alle Erwachsenen?“

Manche Kritiker fanden auch gewisse groteske Züge meiner Romane, gewisse Kraßheiten der Darstellung übertrieben, weil sie nicht begriffen, daß die Wirklichkeit wie eine Karikatur der Wirklichkeit aussieht und daß Menschen unbeschreiblich grotesk wirken, wenn man sie von nahe ansieht, ja daß unsere ganze Vernunft, unerläßlich für die Gesellschaft, kaum ein Parfüm, kaum eine Würze, kaum das Salz in der Suppe ist.